
Tag -4: Wie wir Early Adopter für unseren Test gewinnen
Humanoid hat ein neues Teammitglied. In einem Lean-Startup gibt es Abläufe, die grundlegend verschieden sind von den klassischen Methoden eines Unternehmens. Zum Beispiel der Fokus auf Early Adopter, also frühe Anwender. Ins Team passt nur, wer sich auf diese Unterschiede einlässt. Bei unserem neuen Teammitglied glaube ich an diese Offenheit. Die Konfrontation von klassischen und Leanmethoden lässt erfahrungsgemäß nie lange auf sich warten.
Selbst wenn das neue Teammitglied wirklich für sich selbst die feste Zusage getroffen hat die Lean-Methoden anzunehmen, wird es erst real, wenn die ersten Vorgänge plötzlich seinem gelernten Vorgehen fundamental widersprechen. Sie erscheinen ihm grundfalsch.
Eine Mode? Jugendliche Profilkrise?
Es drängt sich der Verdacht auf: Warum nicht bei Altbewährtem bleiben? Warum jetzt plötzlich Lean? Eine Mode? Jugendliche Profilkrise? Nein, es gibt ein Argument!
Ein Startup ist eine Gründung. Ja. Eine Gründung ist aber nicht unbedingt ein Startup. Das ist auch nicht neu. Der Deutsche Startup Monitor definiet ein Startup so: „Jünger als 10 Jahre, mit Technologie oder Geschäftsmodell (hoch) innovativ, haben signifikantes Wachstum“.
Die Definition ist nicht gerade konkret. Wann ist ein Wachstum denn signifikant. Ist die neue Sauce von Curry-Express nicht auch innovativ? Okay, vielleicht nicht hoch-innovativ, aber ab wann ist etwas hoch-innovativ? Und wieso können diese Eigenschaften nicht auch auf eine Abteilung in einem etablierten Unternehmen zutreffen?
Die bessere Definition ist: Wenn eine Gruppe von Menschen einen Markt suchen muss, dann ist es ein Startup.
Für mich hat jedes Unternehmen (auch Hilfsprojekt oder auch nur ein Kindergeburtstag eine Startupphase). Denn während das Kind in die Schule oder den Kindergarten geht, sucht es bereits nach einem Markt, nach Nachfragern: Seinen Freunden. Es würde keinen Kindergeburtstag feiern, wüsste es nicht, dass jemand kommen wird. Über die Zeit hat das Kind gelernt, wie man Freunde findet und wendet diese Roadmap an, in einem gewissen Maße. Das ist sein Wachstumsmotor. Es bekommt diese Roadmap auch von den Eltern beigebracht. Die Currywurst bude bekommt den fertigen Businessplan quasi vom Existenzgründerportal und kann loslegen.
Je innovativer ein Startup, desto härter fällt diese Suchphase aus. Umgekehrt gilt das leider nicht.
Startups sind nicht einfach kleinere Versionen von Unternehmen. Unternehmen führen bekannte Businesspläne aus. Startups nicht. Sie suchen Unbekannte. (Vgl. Steve Blank)
Early Adopter = Earlyvengalists = Early Birds = Frühe Anwender
Das Ansprechen von Kunden Beispielsweise. In einem Startup gibt es keinen Vertrieb. Warum? Weil ein Vertrieb erprobte Verkaufsstrategien anwendet. Vertriebler lernen unter allen Umständen die Schokoladenseite zu zeigen.
Für ein Lean-Startup gibt es Umstände, in denen das genau falsch ist. Es gibt keine erprobten Verkaufsstrategien. Es gilt daher, Feedback zu erhalten. Komme ich jemandem mit einer Vertriebsmasche, bei der ich von meinem Produkt überzeugt bin, dann betreten wir eine Verhandlungssituation. Der Handelspartner will uns im besten Falle herunterhandeln im schlechtesten Fall einfach nur los werden.
Beispiel Gespräche
Neue Teammitglieder haben oft diese Vertriebsreflexe für den ersten Kundenkontakt. Wenn man mit potentiellen Kunden in Kontakt kommt, gibt es zwei Reflexe: 1. Nicht zu viel vom Produkt verraten, aus Angst vor Copycatting, und 2. den Interessenten von den großartigen Vorteilen des Produktes überzeugen zu wollen.
Das sind zwei Vorgehensweisen, die in den Bereich von Unternehmen fallen, die bereits ein bekanntes Geschäftsmodell ausführen. Wenn man schon weiß (wirklich weiß), dass man mit Überzeugungsarbeit in Gespräche oder an Ständen in der Innenstadt Leute in ein Abonnement der Süddeutschen Zeitung überzeugen kann, bzw. bei Hausbesuchen, Leute in eine Versicherung reden kann, dann sind das Aktivitäten, die zum Ziel führen. Nämlich zu Sales. Das ist aber ein Unterschied zu dem Vorgehen eines Startups: „Wissen“ bedeutet in dem Fall die Erfahrung, dass sich bestimmte Aktivitäten lohnen (Dazu mehr, wenn es um Wachstumsmotoren geht). Mit anderen Worten: Die Akquisitionskosten sind bei bekannten Geschäftsmodellen bekannt. In einem Startup nicht. (Übrings: Sind die Akquisitionskosten bekannt, ist es kein Startup)
„Wir wollten nichts verkaufen!“
Das allein reicht schon, um unglaubwürdig zu wirken. Und natürlich wäre es eine Lüge, jedenfalls langfristig.
Wir haben PR direkt mal in ER umbenannt. Wir kümmern uns nicht um die Öffentlichkeit, sondern nur um Earlybirds, also die frühen Anwender. Sie sind sicher ein Teil der Öffentlichkeit. Daher ist unsere Öffentlichkeitsarbeit eine Art Früher-Vogel-Arbeit.
Wir wollen diejenigen, die eine gewissen Vorstelungskraft mitbringen. Diejenigen, die am besten schon eine improvisierte Lösung für das Problem zusammengeschustert haben. Wenn sich die finden lassen, dann scheint das Problem groß genug zu sein. Als wunderbaren Nebeneffekt, können diese Frühanwender einem perfekt sagen, was sie brauchen und zahlen würden.
Problempräsentation
Ich gehe auf Leute zu, die ich für potentielle Nutzer halte. In unserem Fall bin ich am Anfang auf alle möglichen Gruppen zugegangen, mittlerweile konnte ich einige ausschließen. Gründer, Kleinunternehmer, Abteilungsleiter, Mittelständler die ein wesentliches Merkmal teilen: Sie müssen den positiven Return-On-Investment von Outsourcing bereits erkannt haben und auch dessen Schwierigkeiten. Sie nutzen externe Dienstleister und kennen die Schwierigkeiten, welche die Dienstleistersuche und Steuerung mit sich bringt.
Das Ziel ist nicht, mir sagen zu lassen, was ich als nächstes ändern soll. Alles, was der Kunde sagt, ist ebenfalls nur eine Vermutung. Der Kunde denke genau wir der Gründer in einer Box. Der einzige Weg, aus dieser Box herauszukommen, sind echte Tests mit echten Kunden. Das ist die Validierung der Vermutungen. Der Earlyvengalist übernimmt die Rolle des Vermutungsgebers, des Hypothesenerzeugers.
Dazu fragen wir, ob er diese Probleme kennt, wie er sie gelöst hat. Lösen würde. Sich eine Lösung wünschen würde.
Auf diese Art lernen wir den Markt gut kennen.