
Tagesabläufe potentieller Kunden geben tiefe Einblicke
Gold wert! Nichts anderes ist es, wenn man einen typischen Tagesablauf von einer potentiellen Kundin bekommt. Den Kontakt mit den Kunden aufzubauen und echte Informationen zu erhalten, ist eines der schwersten Dinge, die man tun kann. In dem ganzen Tuchfühlungsprozess mit unseren Kunden ist das Rekonstruieren eines Tagesablaufs der Zielgruppe der heilige Gral. Ihn zu kennen zeigt: Jetzt haben wir verstanden was wirklich abläuft.
„Validiere deine Hypothesen bzgl. wie Kunden ihren Tag verbringen, ihr Geld ausgeben und ihren Verpflichtungen nachkommen.“ (Steve Blank – The Four Steps to the Epiphany)
Und wie kommt man daran? Nicht einfach so. Man kann nicht einfach nach einem Tageablauf fragen. Die Leute erklären einen für verrückt oder vermuten sonst was. Man stückelt ihn sich im Idealfall zusammen.
Hilke Barenthien suchte nach einem Gastautor. Ich schrieb ihr einen Artikel. Sie wollte gerne eine Gegenleistung erbringen und ausnahmsweise schaltete ich: Ein typischer Tagesablauf wäre super interessant.
„Meine Vision ist es: mit meinem Team junge Unternehmen sichtbar zu machen, damit sie, ihre Ideen und ihre Anliegen gesehen werden.“ (Hilke Barenthien – Schusterjunge Waisenkind)
Doch vorsicht: Ich schätze Hilke als aufrechte, vertrauenswürdige Person ein und würde sie sowohl als Auftragnehmer, als auch als Kundin gerne haben wollen. Dennoch muss ich ihren wundervollen Input aus Prinzip gleich zweifach kritisch hinterfragen: 1. Gehen auch andere so vor? Ist sie tatsächlich Repräsentant der für uns richtigen Kunden? 2. Schreibt sie die Wahrheit?
Wer kennt Dr. House? Bekannt ist vieleicht, dass Folgen der Serie im Diagnostikunterrricht an Hochschulen gezeigt werden. Auf dem Weg zur Diagnose geht er grundsätzlich davon aus, dass seine Patienten nicht die Wahrheit sagen. „Die einzige Wahrheit ist: Jeder lügt. Die einzige Variable: Über was.“ Ein Arzt wird in den meisten Fällen keine ehrliche Antwort auf Fragen wie „Haben Sie Drogen genommen?“ oder „Hatten Sie in einem peruanischen Slum Sex mit einem Straßenjungen?“ bekommen. Wer schonmal im Flugzeug saß, einen unangenehmen Kerosingeruch wahrgenommen hat und nichts gesagt hat, weiß wie irrational wir sein können, wenn es um unsere Scham geht. Auf der Suche nach einem Videoausschnitt in dem Dr. House das sagt, bin auf einen Blogbeitrag von einen Dr. Joachim Schlosser gestoßen „Alle Patienten lügen – Dr. House im Kundenkontakt“. Andere sehen also auch einen Zusammenhang zwischen Diagnostik und Entrepreneurschip.
Ein Tag im Leben einer selbständigen Mediengestalterin, Reinzeichnerin, Projektmanagerin und Produktionerin
Selbst und ständig und so!
Selbstständig bedeutet nicht, dass man ständig arbeiten und alles selbst machen muss. Soviel vorweg. Leider bedeutet „kleine Firma“ allerdings, dass man tatsächlich viel „selbst“ tun muss. Wer soll es sonst machen? Meine Tage sind immer voll und auch wenn nicht soviel für Kunden zu tun ist, fällt mir immer noch was ein, was erledigt werden will. Der große Vorteil ist, sich die Zeit selbst einteilen zu können und gerade mit Kindern und festen Betreuungszeiten auch einfach Abends zu erledigen, was man tagsüber nicht geschafft hat.5:35 Uhr Gähn! Wecker sind eine blöde Erfindung und wenn ich meine Aufzeichnungen aus Zeiten der Firmengründung sehe, muss ich immer ziemlich lachen. Da steht in Versalien: NIEMALS VOR 9.00 UHR ARBEITEN. Manchmal holt einen die Realität ziemlich schnell ein. Raus aus den Federn!
5:45 Uhr Da stehe ich nun, halb schlafend in der Küche und mache Kaffee und Frühstück für alle und verschwinde dann mit einem lauten Gähnen ins Bad.
6:30 Uhr Nach einer warmen Dusche bin ich endgültig wach. Nun kommt der schwierigste Teil des Morgens: Die Kinder wecken und zum Anziehen antreiben. Schließlich wollen wir zu Fuß zum Kindergarten. Andere im Home Office Arbeitende laufen morgens eine Runde um den Block oder gehen Brötchen holen. Einen Weg ins Büro zu haben ist auf jeden Fall ein guter Tipp um umzuschalten.
7:45 Uhr Mehr Kaffee. Tut mir leid, ich bin ein echter Junkie. Dazu gibt es Müsli mit viel Obst und einen Zettel und Stift. Einmal zu Papier bringen, was getan werden muss und dann Priorität sortieren. Dank des schlauen Tipps einer noch schlaueren Kollegin geht es nach der „Iss’ das Sahnetörtchen“-Taktik. Also erst die Sachen, die mich weiterbringen und an denen ich Freude habe. Spannenderweise fallen danach auch die unbeliebten Dinge leichter.
8:15 Uhr Da leider noch niemand die sich selbstbefühlende Spielmaschine erfunden hat, räum ich kurz die Küche auf und verschwinde ins Büro.
8:20 Uhr Morgens warten meist Newsletter im Postfach. Gerade aus dem Netz der Selbstständigen ist häufig was Interessantes dabei, also überfliege ich sie zumindest kurz. Dann gehe ich kurz unsere Social Media Accounts durch und schaue, was es so Neues gibt.
8:45 Uhr Nun steht die morgendliche Videokonferenz mit der Mitarbeiterin um sie zu briefen und zu hören, ob ich ihr was abnehmen oder helfen kann.
9:00 Uhr Eine Kundin wünscht sich zwei neue Rollups. Eine schöne Aufwärmaufgabe. Fertig? Nochmal die dazu gehörenden Mails lesen, ob ich auch nichts vergessen oder übersehen habe und raus damit.
10:00 Uhr Irgendwo auf meinem Schreibtisch liegt er, der Zettel mit den Aufzeichnungen des Beratungsgesprächs gestern. Ah, da. Wer Ordnung hält und so … Dazu verschaffe mir einen Überblick über Vorhandendes und erstelle daraus ein Angebot. Dabei ist mir immer besonders wichtig, dass es auch für Laien verständlich und transparent ist.
11:00 Uhr Das nächste Beratungsgespräch mit einer Interessentin. Diese finden immer häufiger übers Videotools statt. Was ich als wesentlich angenehmer empfinde, als zu telefonieren. Zwar fehlt das Haptische, was bei Printprodukten auch immer wichtig ist, aber es besteht zumindest die Möglichkeit sich zu sehen und Dinge zu zeigen. Anschließend schreibe ich eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs und notiere erste Ideen.
12:15 Uhr Ein kleiner Spaziergang zum Bäcker um etwas zum Mittag zu besorgen. Verbunden mit Sonne und frischer Luft eine gute Gelegenheit an was anders zudenken.
13:00 Uhr Es folgt das wöchentliche Coaching. Was habe ich geschafft? Was habe ich nicht geschafft? Was habe ich Neues gelernt? Was hat mich begeistert? Was steht in der nächsten Woche an? Und was könnte mich davon abhalten es um zusetzten?
14:00 Uhr Die zweite tägliche Runde durch die Social Media Accounts. Gerade wenn man im Home Office vor sich hin puzzelt, sind sie eine tolle Möglichkeit in Kontakt mit der Außenwelt zu bleiben. Das Telefon klingelt. Es gibt noch Korrekturen zu den Rollups und dann können sie in den Druck. Schnell erledigt, schicke ich der Kundin neue PDFs. Ich schaue noch mal ob alle Anforderungen seitens der Druckerei eingehalten sind und bestelle.
15:05 Uhr Ich habe gerade auf „Absenden“ geklickt, da ruft eine andere Kundin an. Sie will sich übermorgen auf den Weg zu einer Messe zu machen und hat festgestellt, dass sie keine Visitenkarten mehr hat. Okay, dann machen wir mal schnell Visitenkarten.
15:15 Uhr Nach einem Telefonat mit der Druckerei steht die Ansage, wenn die Daten bis 16.00 Uhr da sind, können die Karten am nächsten Tag bei der Kundin sein. Inzwischen ist die Mail da, was drauf soll und ich mache mich an die Arbeit. Drei Entwürfe später geht eine Mail an die Kundin raus. Schnell ist klar, welche Version es wird. Stimmen alle Kontaktdaten? Ist der Name richtig geschrieben? Ich finde nichts. Sie auch nicht. Also, ab in die Druckerei.
16:00 Uhr Nach der kurzen Hektik renne ich zum Kindergarten. Auf dem Rückweg machen wir dann noch einen kleinen Abstecher zum Spielplatz und essen Eis. Zwischendurch schaue ich noch mal kurz aufs Handy. Nicht, dass der Kundin noch was einfällt. Wenn, wäre zwar vermutlich eh zu spät, aber …
17:15 Uhr Wir sind Zuhause und machen erst mal gemeinsam Abendessen. Inzwischen ist auch mein Liebster da. Gemeinsam kochen, essen und den Tag Revue passieren lassen macht auch mehr Spaß.
19:00 Uhr Die Kinder träumen süß und wir fallen aufs Sofa. Ich schaue zum dritten Mal durch die Social Media Accounts. Dann ist Feierabend. Reicht auch.
Welche Fragen wirft das jetzt auf? Vielen lieben Dank, liebe Hilke. Ich hoffe, du hast Verständnis für diesen rein professionellen Skeptizismus. Ich glaube dir übrigens sehr.
Hilke Barenthien (hilkebarenthien.de) ist Mediengestalterin, Reinzeichnerin, Social Media- und Projektmanagerin und Produktionerin. Seit 2006 selbstständig hat sie zunächst als freie Mitarbeiterin für verschiedene Agenturen namenhafte Kunden aus unterschiedlichsten Bereichen betreut. 2012 – 2018 leitete sie mit Schusterjunge Waisenkind ihre eigene Agentur. 2018 reifte der Entschluss ihr Wissen an andere Selbstständige weitergeben zu wollen und sie freut sich darauf andere dabei zu unterstützen ihre Ideen der Welt zu zeigen.
1 Antwort
[…] Wie sieht ihr Tagesablauf aus? […]